Allgemein
02.01.2023

BVZi-Präsident Stefan Jungk: Aussichten für die Bauwirtschaft 2023

Etappe 2023 - Mit dem Ziegel auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft:

Das politisch und wirtschaftlich überaus bewegte Jahr 2022 hinterlässt auch der Baustoffbranche herausfordernde Perspektiven. Nach zwei Corona-Jahren mit Subventionskonjunkturen in vielen Dienstleistungsbranchen steht die deutsche Wirtschaft nun vor großen Aufgaben in Industrie und Handwerk.

Energiebedarf, Klimagerechtigkeit, Rohstoffversorgung, Verfügbarkeit von Vorprodukten und Fachkräftemangel werden durch die Auswirkungen des Ukraine Kriegs verstärkt und treffen auf die doppelte Furcht vor Rezession und Gasmangellage.

Die überwiegend mittelständisch aufgestellte Ziegelindustrie in Deutschland ist aktuell massiv abhängig vom Erdgas: 80 Prozent beträgt der Anteil dieses Energieträgers an der gesamten Produktion. Die Produktionsverfahren selbst werden sich kurzfristig nicht ändern lassen – die Umstellung der Anlagen auf klimaneutrale Energieträger ist in unserer Roadmap bereits vorgegeben, bedarf aber umfänglicher Umbauten und der Einführung neuer Technologien, die noch nicht im industriellen Maßstab nutzbar sind.

Die kürzlich veröffentlichte Prognos-Studie hat deutlich gemacht, welchen immensen Beitrag unsere Mitglieder für die wohnungspolitischen Ziele von Bund und Ländern liefern. Bezahlbares Wohnen wird auch künftig ohne den Baustoff Ziegel kaum realisierbar sein – der Ziegel ist und bleibt der Alleskönner im Wohnungsbau und hat auch 2022 seine Position als beliebtester Wandbaustoff einmal mehr verteidigt. Ob Einfamilienhaus oder mehrgeschossiger Wohnungsbau, nahezu jede dritte Wohneinheit in Deutschland wird mit Ziegel gebaut. Rund 7,5 Millionen Kubikmeter Mauerziegel und 600 Millionen Dachziegel produzieren unsere Unternehmen mit rund 80 verschiedenen Herstellern und 8.500 Beschäftigten jährlich in fast ausnahmslos regional aufgestellten Produktions- und Lieferketten.

Egal ob Neubau, Sanierung oder Dachaufstockung – Ziegel ist flexibel einsetzbar, verschleißfrei, hält Form und Farbe und gilt aufgrund seiner Langlebigkeit als Wertanlage für kommende Generationen. Unter Nachhaltigkeitsaspekten führt kein Weg an unserem Baustoff vorbei. Der Verzicht auf dieses Produkt wäre irrsinnig – die Suche und Verwendung alternativer Energieträger gehört hingegen als Top-Position auf die Technologie-Agenda für die Bundesregierung. Nur mit ausreichend grünem Strom oder grünem Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen wird es möglich sein, die Wohnungsbauziele zu erreichen und Klimaneutralität auch im Bausektor umzusetzen. Doch ohne Planungssicherheit für unsere Unternehmen und die Bereitstellung erneuerbarer Energien wird die Abkehr vom Erdgas reine Theorie bleiben.

Für 2023 wird es darum gehen, die Energieversorgung mit Gas und Strom zu wirtschaftlich vertretbaren Rahmenbedingungen auch kurzfristig aufrechtzuerhalten. Angesichts des immensen Wohnungsbedarfes ist niemandem geholfen, wenn wir in Deutschland nicht mehr bauen können, weil uns Energie und in der Folge der Baustoff fehlt.

Zunächst ist also von zentraler Bedeutung, die Gaspreisbremse so umzusetzen, dass die Unternehmen in der Lage sind, weiter zu produzieren – das grundsätzliche Problem des sehr hohen Preisniveaus für Energiekosten wird nach dieser Subventionsphase aber nicht gelöst werden.

Ganz reale Ausfallszenarien erwartet unsere Branche zudem in den kommenden Monaten: Die Unternehmen der Ziegelindustrie gelten aktuell als nicht geschützte Verbraucher und würden in der Notfallstufe von der Gasversorgung getrennt werden.

Auch die jüngste Nachricht vom Erdgas-Vertrag mit Katar liefert nur wenig Anlass zur Beruhigung. Erst ab dem Jahr 2026 sind Lieferungen geplant - der noch viel zu langsame Ausbau der erneuerbaren Energien wird in der Zwischenzeit keine Versorgungslücken schließen können.

Die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen einer verminderten oder sogar gestoppten Ziegelproduktion wären fatal. Störungen im gesamten Baugewerbe würden im nachgelagerten, indirekten Effekt immense Kosten verursachen. Die klein- und mittelständisch geprägte Bauwirtschaft gehört schließlich zu den wichtigsten Abnehmern der Ziegelprodukte.

Inmitten und auch trotz dieser politisch und wirtschaftlich dynamischen Entwicklungen werden unsere Mitgliedsunternehmen auch im kommenden Jahr wichtige Etappen auf dem Weg zu einer energieschonenden und nachhaltig produzierenden Branche weiterverfolgen.

Gemeinsam mit dem Bundesverband Baustoffe - Steine und Erden (bbs), sowie vielen anderen Industriezweigen hat sich auch die Ziegelindustrie an der Erstellung der BDI-Leitstudie „Klimapfade für Deutschland“ beteiligt. Ergebnis: Die Substitution von Erdgas durch CO2-neutrale Energieträger könnte laut Studie sogar zu einer 95-prozentigen Erfüllung eines klimagerechten Produktionsstandards bis zum Jahr 2045 führen.

Die negativen Auswirkungen eines konjunkturellen Abschwungs werden uns leider auch im kommenden Jahr auf diesem Weg begleiten: Die Baustoff-Steine-Erden-Produktion sank im Jahr 2022 um rund zwei Prozent – für 2023 ist eine Beschleunigung dieser Abwärtsdynamik zu erwarten.

Diesen Herausforderungen werden wir uns stellen. Eine Unterstützung aus Politik und Gesellschaft dürfen wir erwarten, schließlich verfolgen wir alle das eine Ziel: Eine klimafreundliche Zukunft gemeinsam, wirtschaftlich sinnvoll und sozial gerecht zu gestalten.

Stefan-Jungk
Stefan Jungk, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Ziegelindustrie e. V. (BVZi)